04.12.19

Was die Zahlen so alles verraten

Bei den Ergebnissen der Kirchenwahl auf den Fildern lohnt ein Blick auf aufschlussreiche Details

Nach politischen Wahlen kommt die Stunde der Wahlforscher: Wie viele Wähler sind von Partei x zu Partei y gewandert? Welche Rolle spielt das Alter? Was war wahlentscheidend? Das alles ist nur mit Befragungen zu ermitteln. Doch schon der genaue Blick auf Zahlen und Prozente verrät auf den Fildern, die Kirchenwahl betreffend, so einiges Interessantes.

 

Eines ist ganz klar: Die evangelischen Sielminger schätzen ihren Pfarrer Tobias Geiger sehr. Unter drei theologischen Bewerbern bekam Geiger dort 89 Prozent der Stimmen – und das bei einer ungewöhnlich hohen Wahlbeteiligung von 39 Prozent. In Stetten auf den Fildern, wo Geiger früher als Vikar tätig war, muss er ebenfalls sehr gute Erinnerungen hinterlassen haben: Er kam dort auf 58 Prozent. Andreas Arnold, Pfarrer in Bonlanden, kam im Heimatort auf 77 Prozent der Stimmen. In Plattenhardt, das kirchlich eng mit Bonlanden verbunden ist, kam er immerhin auf 50 Prozent. Dass Arnold den Einzug in die Synode knapp hinter Tobias Geiger verfehlte, liegt also gewiss nicht an einem schlechten Heimspiel.

Beliebte Theologen ziehen auch die Laien, die für denselben Gesprächskreis kandidieren, mit nach oben: In Sielmingen kam Michael Klein aus Plochingen als Kandidat der „Lebendigen Gemeinde“ auf 74 Prozent, in Bonlanden Markus Brenner als Kandidat von „Kirche für morgen“ auf 58 Prozent. Markus Brenner verpasste den Einzug in die Synode, der er in der vorletzten Periode schon einmal angehörte – da half auch der Bestwert von 74 Prozent ganz nahe der Heimat in Scharnhausen nichts.

Dass Nellingen, der Scharnhauser Park und die Parksiedlung stärker nach Esslingen orientiert sind, zeigt sich auch in den Wahlergebnissen: Dort lag bei den Theologen der Esslinger Pfarrer Christoph Schweizer vom in der Mitte angesiedelten Gesprächskreis „Evangelium und Kirche“ mit 43 und 47 Prozent klar vorne. Im eher pietistisch geprägten Ruit zog die Nähe zu Esslingen aber weniger, dort lag trotzdem Tobias Geiger als Kandidat des konservativen Gesprächskreises „Lebendige Gemeinde“ ganz klar an der Spitze. Ulrike Sämann als Laienkandidatin der progressiven „Offenen Kirche“ – dieser Gesprächskreis war im Wahlkreis ein Wahlbündnis mit „Evangelium und Kirche“ eingegangen – fuhr ihr bestes Ergebnis in der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde ein, also in der Parksiedlung und im Scharnhauser Park.

An zweiter Stelle bei der Wahlbeteiligung – nach Sielmingen – folgte Bernhausen mit 31 Prozent. Dort gab es auch richtig viel zu wählen, kandidierten doch für die neun Sitze im Kirchengemeinderat vier Frauen und zwölf Männer. So viel Auswahl gab es sonst nirgendwo, in Stetten auf den Fildern galt „9  aus 13“, in Echterdingen „12 aus 15“ und in Sielmingen und Plattenhardt „9 aus 12“. In anderen Orten gab es oft nur eine Bestätigungswahl, was aber auf die Wahlbeteiligung keinen Einfluss hatte – in Scharnhausen gingen trotzdem 30 Prozent der Wahlberechtigten zur Kirchenwahl. Der filderweite Durchschnitt lag bei 25,5 Prozent und damit leicht über dem Gesamttrend. Gegen den Trend war auch eine leichte Steigerung der Wahlbeteiligung auf den Fildern. In Bonlanden stieg sie von 17 auf 25 Prozent, in Plattenhardt von 19 auf 23 Prozent. In Plattenhardt bekam erstmals jeder Wähler sofort die Briefwahlunterlagen ins Haus, musste sie nicht erst anfordern. Eine Frauenquote muss bei den Kirchengemeinderäten hingegen niemand anfordern, eine Männerquote auch nicht: Auf den Fildern wurden 59 Frauen und 72 Männer gewählt. Damit waren die Frauen, wenn es keine reine Bestätigungswahl war, etwas erfolgreicher: 88 Prozent der Kandidatinnen haben es ins Gremium geschafft, aber nur 82 Prozent der Kandidaten.

Von rund 1350 evangelischen Kirchengemeinden und Gesamtkirchengemeinden in Württemberg haben es nur vier nicht geschafft, genügend Kandidaten für den Kirchengemeinderat zu finden. Die größte davon ist Neuhausen auf den Fildern, wo nun eine „Ortkirchliche Verwaltung“ eingesetzt wird. Die Wahl ist dann innerhalb von zwei Jahren nachzuholen. Elf Prozent der Wahlberechtigten kamen in Neuhausen dennoch zur Wahl, um die Kandidaten der Landessynode zu wählen.

Gunther Seibold, der im Januar als neuer Dekan nach Bernhausen kommt, hat im Wahlkreis 17 Kirchheim-Nürtingen als Kandidat der „Lebendigen Gemeinde“ für die Landessynode kandidiert. Von vier theologischen Kandidaten wurde der derzeitige Pfarrer in Neuffen Stimmenkönig und hat nun neben der neuen Aufgabe als Dekan auch ein neues Amt übernommen, das erfahrungsgemäß etwa 30 Arbeitstage pro Jahr erfordert. Ein Dekan kennt aber viele kirchliche Abläufe schon, muss sich nicht erst einarbeiten, und bei komplizierten kirchlichen Baufragen hat Gunther Seibold ohnehin einen ganz speziellen Blick: Vor der Theologie hat er Architektur studiert.